Dr. Klaus Damert, Molmerswende

Spuren zweier verschollener Lenore-Stummfilme

1. Die Lenore von Eiko-Film GmbH

Eintrag in Murnau-Stiftung
LENORE
(Kurzfilm)
aus dem Jahre 1913
Deutsche Erstaufführung: 21.02.1913
Land: Deutschland
Autor: Gottfried August Bürger
Produktion: Eiko-Film GmbH

Nähere Angaben findet man in der Kinematographischen Rundschau Januar 1913: Lenore als langes Drama mit 730m Länge.

 

In der nächsten Ausgabe der Kinematographischen Rundschau von Februar 1913 wird der Film Lenore mit 705m angegeben.

 

Auf eine Aufführung des Films in Hannover weist der Hannoverscher Kurier vom 13.10.1914 hin:

hannover

Der Film ist offensichtlich verschollen, allerdings findet sich die Beschreibung einer Aufführung im Leipziger Kristallpalast im Leipziger Tageblatt und Handelszeitung vom 21.02.1915:

„Kristallpalast-Lichtspiele Weiße Wand. Es sind angenehme, unterhaltende Stunden, die die Direktion der Kristallpalast-Lichtspiele mit dem neuen Spielplan wieder ihren zahlreichen Freunden bereitet. Als den Hauptfilm möchten wir die wohlgelungene Bearbeitung des bekannten Bürgerschen Werkes 'L e n o r e' bezeichnen, der sich sowohl durch seine große Anzahl wirkungsvoller Szenen als auch durch die treffliche Darstellung in den Hauptrollen auszeichnet und den Freunden des Bür­gerschen Werkes einen hohen Genuß bereitet. Die einzelnen reizvollen Szenen sind bis aufs kleinste mit liebevollem Fleiß und hingebender Sorgfalt herausgearbeitet, auch die Kostüme genau jener Zeit der Puderperücke und des Zopfes angepaßt.“


2. Der Film von Wilhelm Klitsch

Es gibt einen weiteren Stummfilm „Vortragsabend Wilhelm Klitsch“, zu dessen Inhalt die Lenore gehört. Allerdings gilt auch dieser Film als verschollen:

Der Kinobesitzer vom 13. Juli 1918 meldet:
Filmvorführungen vom 21. bis 27. Juni 1918
[...]
Vortragsabend Wilhelm Klitsch. W. K. G. [d. i. Wiener Kunstfilm-Gesellschaft]: Schauspiel.
1500 Meter. 8. XI. 3 Akte: Schulverbot

Dazu schreibt die Wiener Allgemeine Zeitung vom 22. Juni 1918:
„Notizen.
Die 'Collegia' hat gestern und heute zur Vorführung einiger ihrer Neuerwerbungen für die kommende Saison geladen, zum größten Teil Films heimischer Herkunft, und zwar aus den Ateliers der 'Wiener Kunstfilm' und der 'Leyka'. Von letzterer wurden heute das Drama 'Frauenehre' nach Sardou ('Ferreol') und der Vierakter 'Ohne Zeugen' von Erwin Baron mit Interesse entgegengenommen. Die gestrige Vorführung brachte als Clou die originelle Aufnahme 'Ein Vortragsabend Wilhelm Klitsch' (Wiener Kunstfilm). Im szenischen Rahmen des großen Konzerthaussaales wird der gefeierte Darsteller und Rezitator bei dem Vortrage seiner besten Balladen gezeigt, und mitten in seiner Gestik verwandelt er sich selbst in den Helden der Gedichte, die er deklamiert, und trägt ihr Schicksal in einem wohlgerundeten Akt; er verwandelt sich in den idealischen Sänger von Schillers Ballade 'Des Sängers Fluch' und stirbt unter dem Dolchstoße des König-Wüterichs; im nächsten Bilde ersteht er als der Held in Bürgers erschütternder Dichtung 'Leonore'. Noch einmal wechselt er im Bilde den Frack des Vortragskünstlers Klitsch mit dem derben Kleide des Helden aus Köhlers halb ernster, halb lustiger Gedichterzählung 'Der Ruß''. Kein Zweifel, daß dieser prächtige Film, der drei wirkungsvolle deutsche Balladen mit neuartigem Zusammenhang in szenische Handlung umsetzt, kommende Saison zu durchschlagendem Erfolge kommen wird.“

Die Kinowoche, Wien vom 6.7.1919 bringt einen längeren Beitrag zu Wilhelm Klitsch:
„Wilhelm Klitsch und der Film
'Die Wiener Kunstfilm-Gesellschaft unternahm einen anerkennenswerten Versuch zur teilweisen Lösung dieses Problems. Der von ihr erzeugte Film hieß: 'Vortragsabend Wilhelm Klitsch'. Er war vom Regisseur Rhoden und mir inszeniert. Man sah vorerst das Publikum vor dem Vortragssaal zusammenströmen, Autos fahren an, die Leute drängen sich zur Kasse, der Saal füllt sich und schließlich sah man das Programm. Als erster Vortrag: 'Des Sängers Fluch'. Darauf zeigte das Bild mich am Vortragstisch, wie ich die ersten Sätze spreche:
   'Es stand in alten Zeiten
   Ein Schloß so hoch und hehr.. .'
Das Bild verdunkelte sich und nun wurde die ganze Handlung der großen Dichtung, in welcher ich den Sänger mimte, vorgeführt. Erst die Schlußworte brachten wieder mich beim Vortragstisch im Bilde, wie ich die letzten Verse spreche. Das Programm erschien wieder und zeigte Bürgers 'Lenore' an. Wieder war ich am Anfang und Ende am Vortragstisch zu sehen, während die ganze Handlung im Bilde vor sich ging. Auf diese Weise kann man bei Millionen für die schönste Literatur in anregender Weise Interesse erwecken.“

Zu bemerken ist noch, dass der Textanteil der Lenore an diesem Film etwa 60% beträgt.